Schlachten-Reenactment

Moderator: Caporal

Quintus

Schlachten-Reenactment

Beitrag von Quintus »

In den vergangenen Jahren wurde gelegentlich von Journalisten und Historikern Schlachten-Reenactment kritisiert: Da würde von ein paar kostümierten Hanseln zum Gaudium der Massen der Krieg verherrlicht, hieß es. Wie seht ihr das?
Zuletzt geändert von Quintus am Mi Jan 29, 2020 8:28 am, insgesamt 1-mal geändert.
Quintus

Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Quintus »

Solche Schlachten betrachte ich ein wenig kritisch, denn dieser vorgegaukelte Realismus wirkt unweigerlich verniedlichend. Besonders grenzwertig wird es, wenn ein paar Leute umfallen und Leichen simulieren, um ein paar Minuten später wieder aufzustehen. Da wird eine „blutige“ Schlacht schnell zum Kasperlestheater herunter gestuft, und das Event bekommt noch ein Volksfestcharakter. Ich würde es mehr begrüßen wenn alles exerzier- oder manövermäßig ablaufen würde (Peloton-Schule), aber niemals versuchen einen realen Kampf zu suggerieren (Gebe zu das Böllern macht schon spass) . Mit Feuerwaffen würde es noch halbwegs gehen, aber mit Blankwaffen ist es hoffnungslos. Gerade bei den Römer oder Mittelalter Festen. Diese Klinge auf Klinge gehaue und gefühlte Stunde bei einem "Kampf" Schrecklich!!!! Oder Was wird bei den römischen Events gezeigt? Die Schlidkröte, einen Aufmarsch, ein wenig Gladius und Schild, aber Manöver usw. davon nichts.
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Caporal
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Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Caporal »

Ein schwieriges Thema. Es ist wahrlich ein Spagat, den wir da veranstalten. Wird ernsthaft mit allem drum und dran auf dem Feld ein Gefecht nachgestellt ohne Volksfestcharakter geht die Lust der Zuschauer schnell flöten, weil die ja etwas "erleben" wollen. Sollten nur Salven (In der Napoleonischen Epoche) ausgetauscht, Vor- und Rückmärsche gezeigt werden, wird sich in der Öffentlichkeit kaum einer für diese Epoche interessieren. Andererseits sind solche, ich nenne sie mal "Mogelgefechte" auch ein Muss, da der Veranstalter (Stadt, Gemeinde) dies fordert, damit er auf seine Kosten kommt.

Ich persönlich finde solche Gefechte auch eher zum K.... Wir versuchen daher mehr die Leute anzusprechen, wenn sie sich vor oder nach der Gefechtsnachstellung im Biwak befinden und sich alles aus der Nähe ansehen. Hier ist dann der Kontakt viel besser.

Da lobe ich mir natürlich die Gefechte, wenn man unter sich ist. Ich denke da zum Beispiel an das Gefecht nach der eigentlichen Veranstalung im niederländischem Bourtange. Dort haben wir das Gefecht nur für uns gemacht. Aufklärung, ausmanövrieren und Gefechtsdarstellung usw.. Das war richtig klasse, aber leider viel zu selten.
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Quintus

Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Quintus »

Jaaaa genau letzteres habe ich auch mitgemacht, das war richtig klasse, weil da auch richtig mit Befehlen rumhantiert wurde wie Glieder-feuer oder ein "Bataillon" von drei in zwei Glieder formieren usw. Gebe dir Recht das kann wohl, für den Zuschauer, eine wenig langweilig. Aber warum? weil solche Events die Organisation eine wenig Stiefmütterlich behandelt wird. Gut wäre ein Sprechen der dem Zuschauer erklärt was gerade abgeht, oder darauf hinweist "... hier ist die Gruppe XYZ die bereitet ein Glieder-Feuer, bitte beachten sie die dritte Reihe.... Oder wird demonstriert; was ist eine Rotte - Sektion - Bataillon usw oder wenn eine ganze Gruppe den schrägen Schritt macht... Sieht klasse aus. Klar, wenn es knallt dann macht das mehr Spaß, aber ich sagen euch das wird sich ändern, wegen Greta und so oder wir müssen Emissionssteuer bezahlen :) . Und spätestens da sollte die Szene was anderes anbieten können.

Ich weiß im Moment nicht wie es in der Napoleonik aussieht, aber in der Mittelalter-Szene ist das schon so dass die Städte und Veranstalter die Organisation an "Profis" abgeben und plötzlich spiel der Kommerz dann eine ganz wichtige Rolle und die Verwässrung hat dann begonnen.
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Caporal
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Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Caporal »

Klasse. Dann warst Du also auch mit dabei. In Bourtange sind die Veranstalter da auf dem richtigen Weg und erklären dem Zuschauer alles, was sich gerade abspielt. Allerdings kommen wir Reenacter´s wieder zu kurz, weil wir in der Festung kaum noch was machen können und Kneipen werden da rechtzeitig geschlossen. auch wird gleich von vornherein festgesetzt, wie das alles zu laufen hat. Aber das ist ein anderes Thema.

Ein anderes gutes Beispiel ist auch die Nachstellung an der Göhrde (in der Nähe von Lüneburg). Dort wird neben der Gefechstdarstellung nicht nur die einzelnen Manöver sondern auch die Einheiten gut vorgestellt. Wenn allerdings in anderen Fällen die Veranstalter nur auf Kommerz aus sind, dann wird es schwierig. Solche Events besuche ich dann auch nicht wieder. Und wenn ich nur noch "Peng" nach einer Musketensalve rufen darf aufgrund des Klimawandels bin ich sowieso raus. Du bist dann als "Römer" besser dran ;)

Im Mittelalter geht es doch bei den grossen Veranstaltungen wie "Spectaculum" auch nur noch um Kommerz. Ich war mal vor Jahren in Bückeburg. Das war echt grottig und ich meine auch, das die das mit dem Historischem nicht wirklich ernst nehmen.
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Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von André »

Quintus hat geschrieben: Mi Jan 29, 2020 8:09 am In den vergangenen Jahren wurde gelegentlich von Journalisten und Historikern Schlachten-Reenactment kritisiert: Da würde von ein paar kostümierten Hanseln zum Gaudium der Massen der Krieg verherrlicht, hieß es. Wie seht ihr das?

Nun, natürlich steht immer eine Art Hang zum Militarismus. Aber eher zum geschichtlichen Teil!
Fachwissen und Interessen sind immer verschieden. Das muss jeder mit sich selbst ausmachen und auch auslegen.

Ich finde experimentelle Archäologie oder Reenactment enorm wichtig für die geschichtlichen Hintergründe und Verständnis. Der eine spielt Fußball, eine Anderer geht Angeln - und wir LIEBEN und LEBEN Geschichte.

Dazu sind solche Veranstaltungen auch immer wichtig um die Grauen und Schrecken eines Krieges aufzuzeigen. Natürlich wird gerne in den Medien übetrieben.....

Ich will alles verstehen. Auch die Ursachen, so dass ich zu Büchern greife. Mich mit Napoléon; Cäsar oder anderen Persönlichkeiten auseinandersetze und VERSTEHE.
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Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Tiziateur »

Hallo Quintus,

das ist ein schwieriges Thema!
Vorweg, der Caporal hat schon viel mitgeteilt, wie ich auch denke.
Hier noch einige Punkte hinzu. So ein Event kostet immer viel Geld, wir haben früher die Göhrde als Event mehrfach organisiert, zu erst aus der Vereinstasche, dann als es anfing zu laufen kam die Kommune hinzu und übernahm Gelder. ABER da muss dann auch was für die Touristik geboten werden, da fängt der Spagat an!
Auch kommt hinzu das gerade junge Leute (die wenigen die an unserem Hobby Interesse haben) Action sehen wollen.
Also ich selber bin daher mit gemischten Gefühlen für eine möglichst gute Gefechtsdarstellung mit viel Peloton Evolutionen ohne Nahkämpfe! Davon halte ich sehr wenig, zumal diese auf freien Feld fast nie stattfanden. Mann sollte hierzu mal das Buch " Über die Psychologie der Schlacht" lesen. Wenn eine Kolonne angreift, schafft entweder die Linie es Sie zu stoppen oder die Linie wird brechen! Diese Soldaten waren auch nur Menschen! Das halten die Nerven nicht durch. Wenn die Kolonne durch den Kugelhagel weiter voran schreitet wird man den Teufel tun, sich mit denen auf einen Bajonettkampf einzulassen!
Nahkämpfe gab es fast nur um Stellungen/ Ort und mental feste Plätze, wo man eine mauer/ einen Rückhalt oder keinen Ausweg mehr hat. Dann gab es Nahkämpfe.
Zudem birgt ein nachgestellter Nahkampf auch viele Verletzungsgefahren. Ich bin immer froh wenn ein Gefecht ohne Nahkampf abgegangen ist.
Einen Nahkampf würde ich nur befürworten, wenn dieser durch das Schlachtszenario bedingt vorgesehen ist, die Einheiten sich kennen und alles abgesprochen ist.

Also wie gesagt, meine Meinung ist ohne Gefechtsdarstellung wird es nicht gehen, aber die Presse sollte dann auch tiefer Blicken und die Leute im Biwak befragen, warum und wieso. Mir sind die Eindrücke und Erfahrungen im Biwak wichtiger als die Gefechtsdarstellung.
Sapeur Maik
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Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Sapeur Maik »

Caporal hat geschrieben: Mi Jan 29, 2020 1:14 pm Klasse. Dann warst Du also auch mit dabei. In Bourtange sind die Veranstalter da auf dem richtigen Weg und erklären dem Zuschauer alles, was sich gerade abspielt. Allerdings kommen wir Reenacter´s wieder zu kurz, weil wir in der Festung kaum noch was machen können und Kneipen werden da rechtzeitig geschlossen. auch wird gleich von vornherein festgesetzt, wie das alles zu laufen hat. Aber das ist ein anderes Thema.

Ein anderes gutes Beispiel ist auch die Nachstellung an der Göhrde (in der Nähe von Lüneburg). Dort wird neben der Gefechstdarstellung nicht nur die einzelnen Manöver sondern auch die Einheiten gut vorgestellt. Wenn allerdings in anderen Fällen die Veranstalter nur auf Kommerz aus sind, dann wird es schwierig. Solche Events besuche ich dann auch nicht wieder. Und wenn ich nur noch "Peng" nach einer Musketensalve rufen darf aufgrund des Klimawandels bin ich sowieso raus. Du bist dann als "Römer" besser dran ;)

Im Mittelalter geht es doch bei den grossen Veranstaltungen wie "Spectaculum" auch nur noch um Kommerz. Ich war mal vor Jahren in Bückeburg. Das war echt grottig und ich meine auch, das die das mit dem Historischem nicht wirklich ernst nehmen.
Was ich an der Göhrde auch gut finde, ist die Tatsache, dass die Schlacht auf Privatgelände stattfindet.
Zuletzt geändert von Sapeur Maik am Do Apr 02, 2020 5:22 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Sapeur Maik
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Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Sapeur Maik »

Sapeur Maik hat geschrieben: Mo Mär 30, 2020 4:08 pm
Caporal hat geschrieben: Mi Jan 29, 2020 1:14 pm Klasse. Dann warst Du also auch mit dabei. In Bourtange sind die Veranstalter da auf dem richtigen Weg und erklären dem Zuschauer alles, was sich gerade abspielt. Allerdings kommen wir Reenacter´s wieder zu kurz, weil wir in der Festung kaum noch was machen können und Kneipen werden da rechtzeitig geschlossen. auch wird gleich von vornherein festgesetzt, wie das alles zu laufen hat. Aber das ist ein anderes Thema.

Ein anderes gutes Beispiel ist auch die Nachstellung an der Göhrde (in der Nähe von Lüneburg). Dort wird neben der Gefechstdarstellung nicht nur die einzelnen Manöver sondern auch die Einheiten gut vorgestellt. Wenn allerdings in anderen Fällen die Veranstalter nur auf Kommerz aus sind, dann wird es schwierig. Solche Events besuche ich dann auch nicht wieder. Und wenn ich nur noch "Peng" nach einer Musketensalve rufen darf aufgrund des Klimawandels bin ich sowieso raus. Du bist dann als "Römer" besser dran ;)

Im Mittelalter geht es doch bei den grossen Veranstaltungen wie "Spectaculum" auch nur noch um Kommerz. Ich war mal vor Jahren in Bückeburg. Das war echt grottig und ich meine auch, das die das mit dem Historischem nicht wirklich ernst nehmen.
Was ich an der Göhrde auch gut finde, ist die Tatsache, dass die Schlacht auf Privatgelände stattfindet.
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Francois
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Re: Schlachten-Reenactment

Beitrag von Francois »

Frage beantwortet? Journalisten lassen sich nicht "steuern". Sie sehen sich als "unabhängige" 4.Gewalt, was sie ja leider oft/aktuell als "systemimmanent" leider nicht sind. Geh hin, rede mit den Leuten (mit uns) und bilde dir selbst ein Urteil.
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