Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

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Francois
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Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Francois »

Wie konnte Napoleon bei all den Kriegen solche "Sympathiewerte" in Frankreich bekommen? Ein Mittel waren die meist von ihm selber formulierten "Bulletins de la Grande Armee", die den Kaiser und die Armee mit dem Volk verbinden sollten.

Das "klassisisches" Beispiel ist das Bulletin No. 29, dass den Verlust von 500.000 Mann auf dem Rußlandfeldzug 1812 allein dem General "Winter" in die "Filzstiefel" schiebt, eine Legende, die es immer noch bis in heutige Schulbücher schafft.
https://de.wikipedia.org/wiki/29._Bulle ... Arm%C3%A9e

Eine ausführliche Sammlung (allerdings in französisch) findet man unter
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k ... texteImage
Tiziateur
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Tiziateur »

Hallo Fancois,

natürlich hat er durch die Bulletins an seiner Legende gebaut, so wie die Propaganda eines jeden Staates seinerzeit versucht hat immer die positiven Seiten darzustellen.
Die Bulletins haben nach meiner Ansicht die Legende und die Verbindung zum frz Volk hergestellt, wozu aber ganz entscheidend auch die Siege sowie Napoleons Herkunft aus einer verarmten Adelsfamilie beitrug. Napoleon hat sich quasi aus den niederen gesellschaftlichen Rängen hochgearbeitet, hat große Siege errungen (sicher auch durch die Bulletins Meinungsverstärkt). Nach seiner Kaiserkrönung war er der einzige STARKE Garant gegenüber dem frz Volk, der sicherstellte das die Errungenschaften der Revolution noch Bestand haben werden, auch gerade gegenüber der Feinde Frankreichs. DAS hat nach meiner Meinung die Verbindung zum frz Volk hergestellt.
Das er seine Russland Katastrophe dann im Bulletin No. 29 abminderte war allein ein notwendiger Politischer Schachzug. Ich erinnere hier nur an den Verrat/ Umsturz des Generales (Name fällt mir gerade nicht ein Maret?) in Paris 1812. Das alles zwang Napoleon ja auch zum Verlassen der Armee und die schnelle Rückkehr nach Paris.

Seine Bulletins denke ich haben auf die Legende aus heutiger Sicht nicht den Stellenwert, welchen Du Ihnen beimisst. Ich denke eher, es ist der Aufstieg eines Mannes mit großen militärischen und politischen Fähigkeiten (davon gab es ja nicht viele in der Geschichte) und großen Erfolgen bis zum endgültigen Absturz und dem tragischen Ende "allein" auf einer Insel. Diese tragische Geschichte und seine dort verfassten Memoarien.
Das, besonders die dort von Ihm verfasste Darstellung seiner Geschichte, DAS ist die Legende die heute nachwirkt! Nicht direkt die Bulletins.
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Francois
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Francois »

Ich bin völlig bei dir, das es eine Vielzahl von Momenten ausmacht, die Napoleons Legende begründet haben. Seine eigene Biographie war sein letzter Sieg, den er auf dem Schlachtfeld der Geschichte errang. Doch ich begründe gern meine Meinung, warum ich die Bulletins besonders betone.

Die meisten Leute damals konnten mittlerweile eventuell lesen, aber sie hatten meist weiterhin eher keine Gelegenheit, Bücher zu lesen. Wenn im Mittelalter der Herold des Königs seine Mitteilung verkündete, dann war das ein gewisser Moment Abwechslung, von Kultur und Bildung (klingt das übertrieben?).

Dann kam der Buchdruck und mit ihm zuerst der "Flyer" (siehe auch Thread "Hexenverbrennung"). Wie lief die Information der Bevölkerung dann im Ancien Regime?

Meiner Meinung nach erfüllten die Bulletins die Funktion einer "Extra- Nachricht", einer Sondermeldung direkt von ganz oben nach ganz unten. Das will nicht ausblenden, dass es schon damals eine von Napoleon ausgewählte "Systempresse" gab, die die Zwischenräume füllte. Da gab Napoleon die Richtung vor, aber bei den Bulletins war er selber Herr der Worte.

Doch wie gesagt, es ist meine persönliche Meinung. 8-)
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Tiziateur »

Ich sehe das ja auch so. Das die Bulletins in Napoleons Zeit große Wirkung hatten. Du hast aber den Bezug zu heutigen Geschichtsbüchern gezogen und da wirkt nach meiner Meinung seine St. Helena Memoarien und seine zu Lebzeiten bereits bestehende Legende und das tragische Schicksal nach.
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Caporal »

Keiner verstand es besser, als Napoleon sich entsprechend in Szene zu setzen. Die Bulletins waren hervorragend als Mittel der Propaganda geeignet. Ich wage mal zu sagen, dass die Bulletins die Vorgänger der Deutschen Wochenschau waren, wie wir sie aus der NS-Zeit her kennen. Und in der Popaganda war Napoleon der Meister seines Fachs.
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Tiziateur »

Caporal hat geschrieben: Sa Apr 25, 2020 11:22 am Keiner verstand es besser, als Napoleon sich entsprechend in Szene zu setzen. Die Bulletins waren hervorragend als Mittel der Propaganda geeignet. Ich wage mal zu sagen, dass die Bulletins die Vorgänger der Deutschen Wochenschau waren, wie wir sie aus der NS-Zeit her kennen. Und in der Popaganda war Napoleon der Meister seines Fachs.
Ohne Frage, er wusste um die Wichtigkeit der Propaganda. Das hat er ja auch mit den Sankt Helena Memoarien bewiesen!
Das war sein letzter Schlag.
Dazu kam noch der Umstand, das er sagte er wolle an den Ufern der Seine begraben sein. Als man nun auf Stankt Helena seinen Leichnam exhumierte, dieser vollständig erhalten war, das brach seiner Legende weiter Bahn, selbst nach dem Tode.
Zeugen der Exhumierung sagten aus, das der Sargdeckel Stoff über dem Körper lag. Als man diesen entfernte lag Napoleon vollständig, auch in erhaltener Uniform in seinem Sarg. Nur die Stiefelspitzen, hier waren die Nähte aufgegangen. Die Lippen waren schmal und eingetrocknet, gaben dem Gesichtszug ein leichtes Lächeln. So als wenn er sagte wollte, seht Ihr nun wird mein letzter Wunsch doch noch erfüllt.
Auch das trug sehr stark zum Wiedererwachen seiner Legende nach seinen Tode bei.
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Pêcheur »

Euren Ausführungen kann ich nur zustimmen. Die Bulletins waren Information und Propaganda gleichermaßen. Es gab sie in klein (wie eine Art Handzettel) und in groß (als Aushang).
Im Sammlerbereich habe ich ein solches Bulletin (11.Bulletin) als Maueranschlag gepostet.
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Pêcheur »

Tiziateur hat geschrieben: Sa Apr 25, 2020 12:26 pm
Caporal hat geschrieben: Sa Apr 25, 2020 11:22 am Keiner verstand es besser, als Napoleon sich entsprechend in Szene zu setzen. Die Bulletins waren hervorragend als Mittel der Propaganda geeignet. Ich wage mal zu sagen, dass die Bulletins die Vorgänger der Deutschen Wochenschau waren, wie wir sie aus der NS-Zeit her kennen. Und in der Popaganda war Napoleon der Meister seines Fachs.
Ohne Frage, er wusste um die Wichtigkeit der Propaganda. Das hat er ja auch mit den Sankt Helena Memoarien bewiesen!
Das war sein letzter Schlag.
Dazu kam noch der Umstand, das er sagte er wolle an den Ufern der Seine begraben sein. Als man nun auf Stankt Helena seinen Leichnam exhumierte, dieser vollständig erhalten war, das brach seiner Legende weiter Bahn, selbst nach dem Tode.
Zeugen der Exhumierung sagten aus, das der Sargdeckel Stoff über dem Körper lag. Als man diesen entfernte lag Napoleon vollständig, auch in erhaltener Uniform in seinem Sarg. Nur die Stiefelspitzen, hier waren die Nähte aufgegangen. Die Lippen waren schmal und eingetrocknet, gaben dem Gesichtszug ein leichtes Lächeln. So als wenn er sagte wollte, seht Ihr nun wird mein letzter Wunsch doch noch erfüllt.
Auch das trug sehr stark zum Wiedererwachen seiner Legende nach seinen Tode bei.

Ich verweise hier auf das in deutscher Sprache erschienene Buch „Die Todtenfeier des Kaisers Napoleons“ von 1841.
Es beschreibt detailliert die Exhumierung des Leichnams, dessen Zustand (auch die aufgeplatzten Stiefel) bis hin zur Überführung nach Paris und der Beisetzung im Invalidendom.
Ich werde das in naher Zukunft noch bei den Büchern vorstellen).
Dateianhänge
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Tiziateur »

Na wo wir gerade das Buch hier haben, denke ich sollte ich zum Thema auch die entsprechenden Seiten dazu posten, wie der Sarg geöffnet wird:
Siehe Anhang, ich hoffe die Seiten werden nicht verdreht und es ist die logische Reihenfolge.
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Re: Legendenbildung duch "Bulletins de la Grande Armee"

Beitrag von Pêcheur »

Feines Arbeiten. 👍🏻
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